Prachtvolle Fotoblicke im Wetterstein

Beste Bergwanderbedingungen herrschen oft im Oktober. Und heute ist so ein idealer Tag. Von Leutasch in Tirol aus gehen wir 1.200 Höhenmeter über steiles (Rinnen-)Gelände direkt auf die Gehrenspitze (2.367 m.ü.M.) und wollen über das Scharnitzjoch und Puittal wieder zurück.

Schoterrippen Puittal im Karwendel

Doch der prachtvolle Fotoblick von oben lässt erst einmal alle Anstrengung vergessen: Steile Grasrücken und Schotterreisen liegen hier beisamen wie die Falten eines hoheitlichen Mantels unterhalb von Scharnitzspitze und Schüsselkarspitze. Die Alpenvereinskarte bezeichnet diesen spektakulären Abschnitt des Puittales nur mit dem eher harmlos klingenden Begriff ‚Riepen‘.

Auf der anderen, bayrischen Seite des Wettersteingebirges ist es nicht weniger prachtvoll. Dort hat sogar am Schachen ein König logiert.

Mit weißer Hand auf weißen Strassen

Und wieder einmal im Herbst im Chianti: Nun schon zum vierten mal stelle ich mich an den Start der L’Eroica. Doch etwas ist anders als sonst.

Eroica 2014 auf Schotterstrasse

Wie soll ich es formulieren, ich habe ein echtes Handicap diesmal. Ein knöcherner Ausriss am Seitenband des rechten Daumens – hervorgerufen durch einen MTB-Sturz – hat mir eine Gipsmanschette beschert. Rennradfahrer haben halt mit einem Carbon-Bergrad im Gelände nichts verloren, deswegen nehme ich auch mit dem geliebten alten Masi aus Stahl an der toskanischen Kultveranstaltung teil.

Mit gehörigem Respekt, weißer Hand und guten Beinen bewältige ich die berühmten ‚Strade Bianche‘. Die Abfahrten langsamer als gewohnt, bergauf aber ohne ein einziges mal zu schieben, fahre ich immerhin die 135 km Runde durch. Und bin heilfroh im Ziel in Gaiole ohne weitere Blessuren anzukommen. Die ‚Heldenhafte‘ wird ja von vielen skurilen Typen absolviert, nun ist noch einer mit Gipshand dazugekommen.

19 Spaghetti-Kehren bis Borcola

Wer kennt eigentlich das Val Posina, das Tal und die Bergregion östlich des Pasubio-Massivs in Venetien am südlichen Alpenrand? Wahrscheinlich wenige, denn die Gegend als touristisch zu bezeichnen spräche den unübersehbaren Zeichen der Landflucht und den leeren Straßen Hohn. Das hat auch seine ruhigen Vorteile, sollen sich doch die vielen anderen Rennrad- (und vor allem MTB-)Fahrer weiter westlich in der Gardasee-Region oder an den Pasubio-Wegen austoben.

Rennrad am Passo Borcola

Vom Hauptort Arsiero über Posina sind es 900 Höhenmeter auf den Passo della Borcola. Die 19 Haarnadelkurven auf den letzten Kilometern erinnern an gekochte, zusammengelegte Spaghetti – sie sind weder schnell hoch noch hinunter befahrbar, dafür ein Traum für Rennrad-Genießer. Am Paß drehend und wieder nach Posina hinunter, nehme ich von dort noch den Colle Xomo in Angriff. Von diesem und dem Borcola könnte ich auf dem Friedensweg den Pasubio per pedes erklimmen, doch das ist eine andere Geschichte.

Endlich Frieden am Pasubio

Vor fast genau einhundert Jahren ist der 1. Weltkrieg ausgebrochen. Und wenige Monate später erklärte 1915 das zuerst noch neutrale Italien seinem nördlichen Nachbarn Österreich den Krieg. Es begann ein bis dahin noch nie gekannter Gebirgskampf. Mit unglaublichem Materialeinsatz an Menschen und vor allem Waffen entstand eine Front in Fels und Eis in den südlichen Alpen. Einer der erbittersten Kriegsschauplätze ist das Pasubio-Massiv gewesen, welches heute noch die Grenze bildet zwischen den Provinzen Venetien und Trentino (damals noch Teil der Habsburgermonarchie).

1917 sprengten und bauten italienische Mineure in wenigen Monaten eine ‚Strada delle Galerie‘ mit 52 Tunnelabschnitten in die Südost-Seite der Pasubioflanken, um ihrerseits endlich einen sicheren Nachschubweg für die Truppen zur Gipfelfront zu haben, denn davor waren sie dem Beschuss der österreichischen Artillerie vom Monte Maggio her ausgesetzt gewesen.

Bergwanderung Militärstr. Pasubio

Dieser wohl weltweit einmalige Gebirgsweg macht heute eine spektakuläre Bergwanderung möglich, atemberaubende Ausblicke wechseln sich mit dunklen, glitschigen Tunnelabschnitten ab (Stirnlampe mitnehmen!). Uns macht anfangs die Sommerhitze zu schaffen. Doch es gehen immer die Gedanken mit, warum und wieso dieser irrsinnige „Fahrweg“ überhaupt gebaut wurde, welche Strapazen erst die Soldaten und Träger bei jeglicher Witterung aushalten mussten.

Nach fast 800 Höhenmeter Aufstieg und kurzer Rast am Rifugio ‚Generale Achille Papa‘ gehen wir weiter auf die Gipefkette des Pasubios mit Cima Palon (2.220 m.ü.M.), Dente Italiano und schließlich Dente Austriaco. Die Zeugnisse des Kriegsschauplatzes sind immer noch allgegenwärtig, die Lauf- und Schützengräben, Kavernen und Unterstände gut erkennbar. Auf diesem Schlachtfeld sollen 13.000 Menschen durch Kampf gefallen oder durch Witterung umgekommen sein. Es waren zumeist junge Männer, Angehörige der Eliteeinheiten der Alpini und der Kaiserjäger. Besonders pervers wurde es im Frühjahr 1918.

Dente Italiano

Die Österreicher zündeten eine der größten Sprengladungen der Kriegsgeschichte unter dem italienischen Gipfel. Sie kamen um wenige Stunden ihren Gegnern zuvor, welche ebenfalls wochenlang einen Sprengstollen Richtung Dente Austriaco in den Fels getrieben hatten. Der geschundene, halb gesprengte Berg liegt seitdem wie ein Mahnmal in grossen Steinquadern da. Damals sollen 30 Meter hohe Flammen aus dem Massiv geschlagen sein, hunderte Alpini gestorben. Doch der entscheidende Frontdurchbruch gelang den Kaiserjägern auch damit nicht.

Trotz dieser vielen Spuren menschlicher Gewalt, der Pasubio mit seiner Bergkulisse bleibt von großer Schönheit; sein rauhes Klima und die schnellen Wetterwechsel faszinieren. Diese Mischung erzeugt eine ganz eigene Atmosphäre in mir: „Endlich, endlich herrscht Frieden am Pasubio und Gott sei Dank in weiten Teilen Europas“. Nach siebenstündiger Bergwanderung wieder in sein Auto zu steigen und in Venetien wohlig müde ein grandioses Nachtmahl geniessen zu dürfen, nehme ich – als österreichischer Staatsbürger – zumindest heute abends nicht als Selbstverständlichkeit wahr.

Nachtschicht im Olympiapark

Was soll man machen, wenn der heimliche König der Radbranche ruft? Thai Do von Continental Reifen sucht Mitglieder für ein 8er-Team beim 24h-Rennen im Münchner Olympiapark. Da heisst es Rad und (Schlaf-)Sachen zusammenpacken und dem Ruf in die bayrische Landeshauptstadt zu dieser Kultveranstaltung folgen.

Rennen im Olympiapark München

Dem tollen Veranstalter Sog Events sei Dank, wir rutschen noch ganz kurzfristig mit unserer Anmeldung rein und erhalten eine knappe Stunde vor Rennbeginn unsere Startnummern. Samstags um 12.00 Uhr geht ’s los. Es sind noch gar nicht alle Teammitglieder von unserer bunt zusammengewürfelten Truppe da; wir fangen schon mal an und wechseln nach zwei Runden pro Fahrer. Als es nachts wird, stellen wir auf einen Dreirunden-Rhythmus um.

Nächtlicher Olympiapark

Ich habe das besondere Glück wieder ab 3.30 Uhr dran zu sein. Das Rennen hat sich beruhigt, nur Fahrgeräusche sind zu vernehmen, ansonsten schlafen viele (wohl auch einige der heldenhaften Einzelstarter). Es ist eine besondere Atmosphäre. Noch im Dunklen setzt in meiner zweiten Runde lautes Vogelgezwitscher ein, in der dritten wird es dann langsam hell und der Olympiapark mit seinem Fernsehturm und seinen Stadien strahlt in der Morgensonne so spektakulär wie bei seiner Eröffnung zu den Spielen im Jahr 1972.

Trotz meiner nicht gerade berauschenden Rundenzeiten – bei mir haben über vier Jahrzehnte offensichtlich mehr Spuren hinterlassen – lässt es sich nicht verhindern:

MTB-Gruppe im Olympiapark

Das Team Continental Reifen steht in der Wertung auf Platz 2. Unsere drei Topleute Klaus Steinkeller (der Glocknerkönig von 2013), Lukas Kubis (Sieger der Salzkammergut Trophy 2009) sowie Carsten Bresser (Ex-Profi und Olympiateilnehmer) hauen vormittags nochmals so schnelle Zeiten raus, dass uns nach 83 Runden sonntags um 11:57 Uhr der Sieg in der Achterteam-Wertung nicht mehr zu nehmen ist. Da kann sich der kleine König mit seinen Mannen auf der Tribüne bei der Siegerehrung sonnen.

Es wird a Wein sein

… und mir wer’n nimmer sein, hat einst der berühmte Wiener Schauspieler Hans Moser gesungen. Doch wir beide – mein Radfreund Georg und ich – sind noch sehr lebendig und nehmen daher an der In Velo Veritas in Korneuburg nordwestlich von Wien teil, einer Radrundfahrt mit klassischen Rädern. Das bedeutet, die Dauerleihgabe von Thai Do, „mein“ 1982er Masi Prestige, kommt nach mehreren L‘ Eroica Einsätzen in der Toskana nun erstmals zu österreichischen Ehren. Georg hat als Schätzchen ein „neu“ zusammengestelltes blaues Gios.

Vierer-Gruppe auf klassischen Rädern

Es geht durch ein unbekanntes Stück der Alpenrepublik, das Weinviertel, welches durch seine Grenznähe zu Tschechien Jahrzehnte im Dornröschenschlaf ruhte und nun ganz zart erwacht. Die Straßen sind komplett autofrei, die Weindörfer teils von morbidem Charme. Verstreute Weinberge wechseln sich in hügeliger Landschaft mit Weizenfeldern und Wäldern ab. Ich finde die Hügel nicht sehr anspruchsvoll; die Auffahrt zur höchsten Erhebung Buschberg ist wunderschön, auf knapp 500 m.ü.M. ist hier die niedrig gelegenste Alpenvereinshütte Österreichs zu finden. Auch die wenigen Schotterstraßen der Strecke sind leicht und mit denen der Toskana nicht zu vergleichen.

Im Team gegen den berüchtigten Wind des Weinviertels

Doch das härteste Stück auf unserer 144 km Runde hat der rührig-bemühte Veranstalter der ‚In Velo Veritas‘ schon nach den ersten 25 km eingebaut – eine lang ansteigende Kellergasse mit Kopfsteinpflaster. Und dann ist das Weinviertel noch für seinen unangenehmen (Nord-) Wind bekannt. Wie gut, dass wir uns mit zwei sehr sympathischen Österreichern ab Kilometer 65 zusammentun und von nun an als Viererteam weiterfahren.

Obwohl Georg und ich – als Kontrapunkt – Merino-Wolltrikots im Carlsberg Beer Design tragen, am Wein kommt man bei dieser klassischen Radrundfahrt nirgends vorbei.

Geschafft im Ziel von Korneuburg

An den sog. Labestellen wird er neben bester Verpflegung ebenso angeboten. Wir können anfangs noch diesem Teil der Gastfreundschaft widerstehen, auch bei Kilometer 78 im wunderbaren Ambiente des Schloßhofes von Mailberg. Doch 30 km vor dem Ziel genehmigen wir uns dann eine Literflasche Grünen Veltliner in der Labe Großrußbach. Die letzten Hügel bis ins Ziel der Bezirkshauptstadt Korneuburg werden nun doch noch steiler als angenommen … Trotz schwerer Oberschenkel, in das wunderbare Weinviertel wollen wir unbedingt wieder irgendwann zum Radfahren kommen. Es wird a Wein bestimmt noch sein.

Europawahl in Oberbayern

Fast auf den Tag genau vor acht Monaten war die Bundestagswahl. Damals im September hatte ich die Entscheidung zwischen den Touren Hoher Peißenberg und Auerberg; ich wählte für mich den Letzteren. Damit dürfte klar sein, auf welchen vorgelagerten Aussichtsberg der bayrischen Alpen ich am heutigen Wahltag zum Europaparlament gefahren bin!?

Rennrad an Mauer Hohenpeissenberg

Mit 988 m.ü.M. ist er keine wirklich spektakuläre Erhebung, aber er wird zurecht als Bayrischer Rigi bezeichnet, weil bei klarer Sicht – das ist heute leider nicht der Fall – von den Chiemgauern bis in die Allgäuer Alpen der Blick reicht. Und ordentlich etwas los ist hier oben auch: Eine Wallfahrtskirche mit einem Gasthaus dazu, ein hoher Sendemast; die große Station des Deutschen Wetterdienstes wird oft in den Nachrichten erwähnt.

Ich bin heute morgens wohl zu früh dran, denn kurz vor neun Uhr ist am Hohen Peißenberg noch alles ruhig. Es werden doch nicht alle Menschen in den Wahllokalen sein? Also hab ich es eilig: Mit meinem Carbon-Boliden geht die Post ab, aber nicht in den Kasten; ich will schnell zurück nach Hause donnern, um meine Wahl an der Urne zu vollziehen. Als Auslandsösterreicher durfte ich ja vor acht Monaten nicht, nun habe ich Laune mein Recht in Oberbayern geltend zu machen, der vermutlich wieder mal relativ niedrigen Wahlbeteiligung zum Trotz.

Giovanni di Lorenzo – der Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT – beklagte in seinem Leitartikel vor ein paar Tagen, daß für die Europawahl so recht keine Begeisterung aufkommen würde, die Leidenschaft fehle. Dem stimme ich zu. Doch geht er persönlich in seinem Enthusiasmus nicht etwas zu weit, wenn er gleich doppelt als Deutscher und Italiener wählt? Die staatsanwaltlichen Konsequenzen – sprich Ermittlungen gegen ihn – muss er jetzt wohl tragen. Dabei hätte er doch so einfach von mir lernen können: Eine Wahl bedeutet immer eine Entscheidung, sei es für ein Land, eine Partei oder nur einen Berg.

Massig Schnee hinterm Brenner

Dieser Winter ist nicht nur sehr mild, sondern auch schneearm gewesen. Nördlich des Alpenhauptkammes, also in Nordtirol und Bayern, ging lange Zeit gar nichts mit Skitouren. Ganz anders südlich des Hauptkammes. Adriatief um Adriatief schaufelte verlässlich Schneemassen heran. Süd- und Osttirol und vor allem Kärnten konnten sich kaum erretten vor der weißen Pracht. Kaum kommt man über den Brenner traut man seinen an bayrische karge Verhältnisse gewöhnte Augen nicht. Meterhoch liegt der Schnee Anfang März.

Klammalm im Schnee

Bei Sterzing biegen wir ins Ratschingstal ein und starten bei unglaublichem Prachtwetter im Talschluss beim bezaubernden Weiler Flading. Es geht auf Skitour mit dem Ziel Hohe Kreuzspitze (2.742 m.ü.M), ein Brennerberg der Stubaier Alpen. Schon nach 500 Höhenmetern bei der Klammalm fragt man sich, wie können deren Dächer diese Last nur tragen?

Uns ist der Aufstieg nicht Last, sondern nur Lust bei diesen Verhältnissen. Zumal die meisten anderen Skitourengeher sich für den linken, niedrigeren Gipfel Kleine Kreuzspitze entscheiden. Auf unserem, der Hohen, ist die Fernsicht phänomenal. Unter unter das Passeiertal, links daneben die verschneite Jaufenpassstrasse, hinten sind Rosengarten und Fanes-Gruppe erkennbar.

Die Abfahrt fängt vielversprechend mit Pulverschnee an. Der Mittelteil mit hartem, verspurten Harsch ist jedoch kein skifahrerisches Vergnügen, der untere Teil mit weichen Sulzschneewannen schon eher dank der warmen Frühlingssonne. Der krönende Abschluss dieser Supertour findet sich auf der Sonnenterrasse des urigen Schölzhornhofes – beste Südtiroler Küche mit Schlutzkrapfen und danach Buchweizentorte. Was ist doch das (Skitouren-)Leben schön!