Europawahl in Oberbayern

Fast auf den Tag genau vor acht Monaten war die Bundestagswahl. Damals im September hatte ich die Entscheidung zwischen den Touren Hoher Peißenberg und Auerberg; ich wählte für mich den Letzteren. Damit dürfte klar sein, auf welchen vorgelagerten Aussichtsberg der bayrischen Alpen ich am heutigen Wahltag zum Europaparlament gefahren bin!?

Rennrad an Mauer Hohenpeissenberg

Mit 988 m.ü.M. ist er keine wirklich spektakuläre Erhebung, aber er wird zurecht als Bayrischer Rigi bezeichnet, weil bei klarer Sicht – das ist heute leider nicht der Fall – von den Chiemgauern bis in die Allgäuer Alpen der Blick reicht. Und ordentlich etwas los ist hier oben auch: Eine Wallfahrtskirche mit einem Gasthaus dazu, ein hoher Sendemast; die große Station des Deutschen Wetterdienstes wird oft in den Nachrichten erwähnt.

Ich bin heute morgens wohl zu früh dran, denn kurz vor neun Uhr ist am Hohen Peißenberg noch alles ruhig. Es werden doch nicht alle Menschen in den Wahllokalen sein? Also hab ich es eilig: Mit meinem Carbon-Boliden geht die Post ab, aber nicht in den Kasten; ich will schnell zurück nach Hause donnern, um meine Wahl an der Urne zu vollziehen. Als Auslandsösterreicher durfte ich ja vor acht Monaten nicht, nun habe ich Laune mein Recht in Oberbayern geltend zu machen, der vermutlich wieder mal relativ niedrigen Wahlbeteiligung zum Trotz.

Giovanni di Lorenzo – der Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT – beklagte in seinem Leitartikel vor ein paar Tagen, daß für die Europawahl so recht keine Begeisterung aufkommen würde, die Leidenschaft fehle. Dem stimme ich zu. Doch geht er persönlich in seinem Enthusiasmus nicht etwas zu weit, wenn er gleich doppelt als Deutscher und Italiener wählt? Die staatsanwaltlichen Konsequenzen – sprich Ermittlungen gegen ihn – muss er jetzt wohl tragen. Dabei hätte er doch so einfach von mir lernen können: Eine Wahl bedeutet immer eine Entscheidung, sei es für ein Land, eine Partei oder nur einen Berg.

Pitsch, patsch – Crossen im Matsch

Was draussen treiben an einem trüben, tristen regennassen Novembertag? Rennradfahren auf der Straße macht da nicht wirklich Laune, zum Skifahren ist es noch zu früh. Da lobe ich mir meinen Cyclocrosser, siehe auch mein Plädoyer dazu.

Mit dem Crossrad im Novembergrau

Es geht zusammen mit meinem Freund Georg in die Pössinger Au bei Landsberg, wir fahren den Lechsteilhang rauf und runter. Der lichte Wald ist fast so nass wie der unten ruhig dahinfliessende Fluss. Die dünnen Crossreifen pflügen sich durch den Boden. Um nicht zu stürzen, verlangt uns der nasse Laubteppich alle Steuerkünste ab. Wie Lausbuben spielen wir im und mit dem Matsch.

Nach fast zwei Stunden hat der Spass dann doch ein Ende. Zum Glück gibt es den Gartenschlauch für das Rad, die Waschmaschine für die Kleidung und den Kachelofen für die kalten Knochen.

Meine Wahl ist der Auerberg

Ein berühmter vorgelagerter Aussichtsberg der Alpen ist der Rigi in der Schweiz. Auch Bayern hat seine „Rigis“, wenn auch in kleinerem Format. Der eine ist der Hohe Peißenberg in Oberbayern, der andere in Sichtweite zu ihm der weniger bekanntere Auerberg (1.055 m.ü.M.) in Bayrisch-Schwaben. Letztgenannter ist zwischen den Orten Bernbeuren und Stötten gelegen. Er wurde schon von den Kelten und Römern besiedelt ; es windet sich daher heute ein witziger archäologischer Lehrpfad um den Berg.

Rennrad auf Auerberg

Beide Erhebungen liegen noch in erreichbarer Schlagdistanz zu meinem Wohnort, eignen sich also für lange Trainingseinheiten. Als österreichischer Staatsbürger gebe ich meine Stimme am heutigen Tag der Bundestagswahl dem Auerberg, dem schwäbischen Rigi. Der hat ein paar fiese, aber bewältigbare Rampen im Aufstieg. Störender sind die vielen Motorradfahrer, die wie Rennradfahrer schöne Kurven zu schätzen wissen. Klar, heute zieht es alle hinaus bei dem Herbstwetter, auch wenn es nicht strahlend ist, sondern milchiges Licht hat, hervorgerufen durch hohe Schleierwolken.

Über Marktoberdorf (Eisdielen-Stop) fahre ich weiter und komme ziemlich fertig nach gut 130 km wieder zu Hause an. Da trudeln gerade auch die ersten Hochrechnungen rein. Die FDP scheint komplett fertig zu sein. Die Union aus CDU/CSU verfehlt knapp die absolute Mehrheit, das riecht wohl nach irgendeiner schwierigen Koalition. Ein strahlender Wahlsonntag schaut anders aus.

Die Grüne wird zur Hölle des Regens

Nach dem letzten Jahr in Kelheim zieht es mich wieder zu einem 24-Stunden-Rennen. Diesmal in die Eifel an den Nürburgring zur Großveranstaltung Rad am Ring. Mein Freund Georg macht mich zum Leser und damit zum Mitglied eines Vierer-Teams der Zeitschrift aktiv Radfahren. Wir reisen bei bestem Spätsommerwetter und fast 30° Celsius am Freitag schon an. Und beziehen ein Zelt mit Feldbetten im Fahrerlager, hervorragend organisiert und betreut von Dextro Energy, werden deren ‚Presseteam‘.

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Am Samstag geht es um 13.15 Uhr endlich los, Georg fährt die hektische Startrunde für uns. Ich bin als Dritter dran. Das Wetter ist schön und ich haue mich voll rein auf die Nordschleife. In der Erinnerung, diese berühmte Rennstrecke bin ich schon mal vor über 15 Jahren mit dem Rennrad bei einer RTF gefahren. Vor allem am langen Anstieg zur Hohen Acht hinauf habe ich heute gute Beine. Da wissen wir noch nicht, dass meine erste Runde mit einer Zeit von 47 Minuten die schnellste unseres Teams bleiben soll.

Aber wir können es ahnen, denn dunkle Wolken ziehen auf. Als ich Robert ablöse, also zum zweiten mal dran bin, schüttet es schon am Spätnachmittag. Der Nürburgring – sonst auch Grüne Hölle genannt – wird zu einer Regenschlacht, zu einer doppelten Qual für jeden der 4.700 Teilnehmer. Denn jede Runde hat es mit einer Länge von 27 km und 500 Höhenmetern in sich, zudem mit der sog. Fuchsröhre Hochgeschwindigkeitsabschnitte im Angebot.

Massenmord in nebliger Nacht

Es kommt wie es kommem muss. Georg stürzt nachts auf regennasser Abfahrt. Zum Glück ist nur etwas Tapete ab, also Haut abgeschürft am Oberschenkel; er muss aber aufgeben. Wir machen nun als Dreierteam weiter und beschliessen, erst nach Doppelrunden zu wechseln. Ich habe auf meinen Nachtfahrten Glück. Es trocknet wieder ab, durch die dichten Nebelschwaden taste ich mich defensiv abwärts. Aber ich beteilige mich ebenso als Täter an einem Massenmord: Hunderte von Kröten und Salamandern sind durch den Regen auf die Asphaltstrecke gelockt worden und werden nun von dünnen Rennradreifen zerteilt.

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Als dann um 5.00 Uhr morgens Regenfluten mit schwerem Sturm hereinbrechen wie im Spätherbst, hat die Rennleitung ein Einsehen und unterbricht. Um 8.30 Uhr geht es weiter mit einem Neustart. Es regnet nur mehr schwach, immerhin etwas Erleichterung für mich als Startfahrer des Rennens zweiter Teil. Insgesamt kann ich mit sechs Runden zu unserem Gesamtergebnis beigetragen, schaffe also gesamt 3.000 Höhenmeter. Unser Teamheld ist jedoch der Schlussfahrer und Triathlet Michael, der gar sieben Runden bewältigt.

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Wir können es kaum glauben, in der Endabrechnung werden wir von 598 Vierer-Teams auf Platz 44 gewertet. Für uns mittelalte Herren ganz respektabel, oder? Und wetten, in spätestens einem Jahr sind die Strapazen, die Kälte und der Regen vergessen, nur mehr das Heldenhafte von Rad am Ring 2013 bleibt bei allen Beteiligten in Erinnerung. Danke auch an Sportograf für die sensationellen Bilder unter diesen Umständen!

L’Alpe d’Huez Retrospektive

Heute wird bei Eurosport die legendäre L’Alpe d’Huez Etappe der Tour de France übertragen. Ich vermute, das Spektakel werden nicht sehr viele Menschen in Deutschland live mitverfolgen.

Jan Ullrich im Gelben Trikot bei der Tour de France 1997

Das war im Jahr 1997 noch ganz anders – ein gigantischer Hype um Jan Ullrich herrschte damals. Und eine ganze Nation bestand plötzlich aus Radsportexperten. So auch mein Freund Stefan und ich vor 16 Jahren. Zuerst sind wir damals mit dem Auto nach Bourg-d’Oisans gefahren, dann mit dem Rad selbst vormittags vorbei an Massen von Fans hinauf nach L’Alpe d’Huez. Es ist ein gigantisches Erlebnis gewesen, gesteigert nur als die Profis nachmittags an uns vorbeikamen.

Als erster Marco Pantani: Ich habe nie mehr einen Menschen gesehen, der so schnell einen Berg hochgefahren ist. Und auch keinen mehr mit einem so der Welt entrücktem Blick. Ulle folgte als Zweiter – ich konnte zwei Fotos von ihm machen – und verteidigte sein Gelbes Trikot. Wir ahnten es, heute wissen wir, was da alles im Spiel gewesen ist. Trotzdem bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Danke Ulle!

Zum Lobe des Crossrades

Die Tage sind nun kurz, die Temperaturen fallen. Kaum einer denkt mehr an Radfahren. Da möchte ich doch mal die Lanze für einen Radtyp brechen, der meiner Meinung nach ziemlich unterschätzt wird – das Crossrad.

Grün-schwarzes Crossrad von Focus

Jeder Rennradfahrer wird sofort in einem Crosser das logische und ideale Trainingsgerät für die kalte und dunkle Jahreszeit erkennen, sobald er das erste mal darauf fährt. Keine Veränderung in der Geometrie, fast so schnell wie sein Renner. Nässe, leichte Glätte, Bordsteine, Feldwege – alles kein Problem dank Diamant-Reifenprofil. Wer braucht da ein MTB? Zumindest im Winter wird keiner eine Almrunde oder einen Alpencross fahren.

Die Schweizer nennen es Rad quer

In Belgien, den Niederlanden und Tschechien ist der Cross-Sport ein grosses Fest, bei uns fristet er leider ein Schattendasein. In der Schweiz heißt Cyclocross sogar ‚Rad quer‘. Das klingt verkehrt. Verlassen wir die Profiszene, das Crossbike ist auch mein Alltagsrad im Stadtverkehr. Schnell und agil unterwegs sein, Kopfsteinplaster und Kanten zu nehmen ist die eine Seite. Die andere hat mit Stil zu tun. In meiner Heimatstadt gibt es seine sehr steile Straße zwischen Unter- und Oberstadt, die Alte Bergstraße. Ist es da elegant zur Bewältigung der Steigung ein MTB zu benutzen? Egal welche Bergrad-Type, ob Baumarkt-Mühle oder Custom-Made-Fully, es wirkt immer irgendwie unpassend in der urbanen Umgebung. Nicht so der Crosser.

Mein eigenes Modell hat keinen Rahmen aus Carbon-, sondern einen robusten und bezahlbaren aus Alumium. Es ist ein schickes Modell von Focus in Renngeometrie. Einzige Schwäche sind die zu wenig verzögernden und zum Stottern neigenden Cantilever-Bremsen. Da werde ich doch nicht wechseln zur 26“-Stollenfraktion mit seinen zupackenden Scheibenbremsen? Keine Sorge, liebes Crossrad, ich bleibe Dir treu, zumindest im grauen (Winter-)Alltag.

Im Flow in der Toskana

Nun werde ich zum Serientäter. Im dritten Jahr hintereinander bin ich wieder in der traumhaften Toskana bei der L’Eroica am Start. Bei der ersten Kontrollstelle merke ich, meine Beine sind heute super. Daher entscheide ich mich spontan statt der bekannten 135 km Strecke noch die Südrunde über Montalcino anzuhängen, also insgesamt 205 km, davon fast 100 km auf Schotterstrassen mit gesamt 3.800 Höhenmetern zu fahren. Im bin im Flow und überhole immer mehr vor mir Fahrende je länger das Rennen dauert – ein innerliches Fest!

Nach 205 km auf Schotterstrassen im Ziel in Gaiole

Im Ziel in Gaiole bin ich zwar etwas verstaubt, aber stolz und glücklich. Das ist definitiv mein bester Tag auf dem Rad in diesem Jahr gewesen. Und danke nochmals an Thai Do für seine „Dauerleihgabe“, das Masi Prestige, welches heute wie eine Raubkatze schnurrte.

Viele Runden in 24 Stunden in Kelheim

24h-Runden-Rennen liegen klar im Trend, sei es mit dem Rennrad oder dem MTB. Für letztere Kategorie bin ich schon 2005 in München im Olympiapark am Start gewesen in einem Viererteam.

Im Startzelt nachts beim 24h-Stunden in Kelheim

Meine Premiere auf dem Rennrad ist das Orginal in Kelheim an der Donau in einem Fünfer-Team. Es ist ein Rundkurs von fast 17 km Länge. Aus der Altstadt heraus geht es gleich eine Steigung hinauf, vorbei an der berühmten Befreiungshalle. Dann heißt es eine schnelle Gruppe finden, um mit Vollgas wieder ins Ziel zu jagen und an einen der Teampartner zu wechseln. Unser Team ‚Forza Adlersberg‘ schlägt sich gut, aber ich bremse uns aus durch eine halbstündige, nächtliche Zwangspause wegen eines Vorderradschadens. Nicht ärgern, als Erfahrung abhacken und lächelnd weitermachen. Ich kann mit 10 gefahrenen Runden zu unserem Gesamtergebnis von 47 Runden beitragen. Meine uneingeschränkte Bewunderung gilt jedoch den 24h-Einzelfahrern!